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Bücher sind heilsame Trauerbegleiter

Barbara Forster-Zanettin von Redeweise.ch hat mir vor kurzem, in einem ihrer spannenden Beiträge auf LinkedIn die Frage gestellt: «…kennst du vielleicht noch weitere Bücher, welche du empfehlen kannst?»

Da mir diese Frage so oft gestellt wird und ich sie nicht einfach mit einer fertigen Bücherliste beantworten will, schreibe ich meine Gedanken dazu in diesem Artikel. Denn es ist mir wirklich ein grosses Anliegen, dem Thema «Bücher für Trauerprozesse» den – ihm gebührenden – Raum zu geben. Das Potential darin ist riesig.

Tatsache ist, dass in den letzten Jahren viele Bücher zum Thema erschienen sind, zusätzlich zu Klassikern, welche seit Jahren erhältlich sind und immer von Neuem aufgelegt werden. Mit Klassikern meine ich in erster Linie die Bücher von Autor*Innen wie Elisabeth Kübler-Ross, Verena Kast, Jorgos Canacakis, aber auch Gian Domenico Borasio und viele andere, die den Themen Sterben, Tod, Trauer durch ihr Wirken und ihre Bücher in der westlichen Welt Aufmerksamkeit geschaffen haben.

Und hier fängt es schon an; die Sache mit den Empfehlungen für gute Bücher. Ich versuche mich der Komplexität mit einer Auslegeordnung anzunähern und lege den Fokus auf Erwachsene, die einen geliebten, wichtigen Menschen durch Tod verloren haben.

Bevor ich ein Buch empfehle, tauchen bei mir erst Fragen auf:

Wer ist gestorben? Ein Vater? Eine Mutter? Ein Kind oder ein Geschwister? Freund*In, Lebenspartner*In?

In welcher Lebensphase? Für die Eltern, wie auch für Lebensgefährten gibt es in unserer Gesellschaft Vorstellungen oder Erwartungen, in welcher Lebensphase wir das Sterben besser akzeptieren können, z. B. weil ein langes Leben gelebt wurde, oder eine lange Krankheit schon ein Trauerprozess eröffnet hat.

Wenn ein eigenes Kind gestorben ist, ist das mit der Akzeptanz eine ganz andere Sache. Und nicht selten wird der Trauerprozess für Eltern, die ihr Kind überleben, zur Lebensaufgabe und zur grössten Herausforderung.

Ressourcen und Zugänglichkeit? Wo findet die trauernde Person, die mich um eine Buchempfehlung anfragt oder für die jemand um eine Empfehlung bittet, den besten Zugang zu ihrer Trauer? Wie weit und tief mag sie in ihrer Suche wohl gehen?

Ich möchte mit diesen Überlegungen keinesfalls den Eindruck erwecken, dass es zu schwierig sei, jemand ein Buch zu empfehlen oder ein Buch zu schenken. Im Gegenteil, finde ich persönlich Bücher wunderbare Lebensbegleiter und -helfer

Als meine beiden Töchter im Alter von 7 und 10 Jahren an den Folgen ihrer Erkrankung gestorben sind, habe ich selbst Bücher gebraucht, wie die Luft zum Atmen. Jeder Buchempfehlung bin ich gefolgt und jedes Buchgeschenk habe ich tief dankbar angenommen. Auch wenn nicht jedes Buch gepasst hat, so waren sie alle wichtige Wegbegleiter.

Seither sind 25 Jahre vergangen und ich habe fast alle meine Bücher aus dieser Zeit noch immer in meinem Büchergestell. Sie sind auch Zeugen meines Weges mit der Trauer. 

Natürlich sind über die Jahre weitere Bücher hinzugekommen; meist Fachliteratur für meine Schule für Trauerbegleitung mit den Aus- und Fortbildungen, die ich seit 17 Jahren anbiete.

Im erwähnten LinkedIn Beitrag von Barbara schreibt eine Frau im Kommentar:

…»(ich) kann dir zu diesem Thema ein sehr gutes Buch von Jorge Bucay (Psychotherapeut) mit dem Titel „Das Buch der Trauer“ empfehlen. Er nähert sich diesem Thema so achtsam und mit ganz viel Mitgefühl auf eine ganz sanfte Art und Weise. Er hat meine Seele gerettet als mein Vater schwer krank war….»  

Ich bin sicher, dass eine Buchempfehlung, so wie diese hier, unglaublich wertvoll ist. Denn sie ist verbunden mit der persönlichen Trauerprozess eines Menschen. Meine Erfahrung ist, und ich vertraue auch darauf, dass uns das erreicht, was uns hilft, im richtigen Moment.  

Doch jetzt konkret: Welche Bücher empfehle ich, wenn mich jemand fragt?   

Ich verstehe eine solche Frage oder Bitte als Einladung, meine Aufmerksamkeit auf die Trauer eines Menschen zu richten. Trauerbegleitung im Alltag ist meine Herzensaufgabe, deshalb:

Ich nehme mir die Zeit, etwas genauer nachzufragen, im Sinne der drei Überlegungen: Wer ist gestorben? In welcher Lebensphase? Welche Ressourcen und Zugänglichkeiten sind da, d.h. was könnte für die Person passen?

Bereits dieses Nachfragen und Zuhören ist wie lindernder Balsam auf eine offene Wunde. Es schafft schon etwas Raum für das heilsame Gefühl von Verbundenheit, von Gesehen- und Gehörtwerden.

Dann empfehle ich dem Menschen, der sich im Trauerprozess befindet, sich aufzumachen in eine schöne! gute! Buchhandlung und sich in den entsprechenden Abteilungen vom Herzen leiten zu lassen, mit der Absicht, das passende Buch für sich zu finden und sich auch dort beraten zu lassen.

Das „Sich selber aufmachen, sich die Zeit zu nehmen“ für die Suche nach einem Buch – oder auch mehreren Büchern – als gute Helfer auf einem schmerzenden Abschnitt Lebensweg, kann schon mitgezählt werden zu einer langen Kette von Bewältigungsschritten, die anstehen. 

Willst Du jemand ein Buch schenken?  

Das ist eine schöne Geste, doch sei achtsam in der Auswahl. Bleib in einem Bereich, mit dem trauernde Menschen etwas anfangen können. Ich würde ein Buch wählen, das sich an die Gefühle der Trauer richtet, und nicht eines, über das Leben nach dem Tod.  Es geht um Trost, es geht um das Gefühl nicht allein zu sein im Schmerz. Oder schenke einen Buchgutschein mit einer schönen Karte. Und durchaus kannst Du auf die Karte schreiben, welches Buch Du besonders wertvoll findest.

Das ist meine Art Bücher zu empfehlen.  

Ich möchte Menschen ermutigen und ihnen Möglichkeiten zeigen, wie sie sich in einer orientierungslosen Zeit gute Orientierungshilfe holen können. Dazu gehören für mich definitiv gute Bücher.